Mögliche Folgen von Trauma

In der Medizin beschreibt der Begriff „Trauma“ (griechisch: Verletzung/Wunde) eine Verletzung des Körpers durch äußere Einflüsse. Aus psychotraumatologischer Sicht ist jedoch eine seelische Verletzung oder Wunde gemeint. Diese Begriffsverwendung hat sich im allgemeinen Sprachgebrauch etabliert, sodass bei Traumatisierung in der Regel die seelische Verletzung gemeint ist (vgl. Hantke et al. 2023, S. 63). Die ICD-10 (Version 2023) definiert ein Trauma relativ unspezifisch als: „Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine kurz oder lang andauernde Situation mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde.“

Aus dieser Definition geht hervor, dass es sich bei einem Trauma nicht um das Ereignis selbst handelt, sondern viel mehr um das Erleben nach diesem Ereignis. Das Trauma entsteht, wenn das potentiell traumatische Ereignis weder zeitgleich, noch aufgrund mangelnder Ressourcen über einen längeren Zeitraum danach verarbeitet und die gesammelten Erfahrungen integriert werden können. Somit ist kein Ereignis per se traumatisch, wenngleich es Ereignisse gibt, die nahezu jede/n überfordern würden (beispielsweise körperliche und sexualisierte Gewalt, Krieg und Eingeschlossensein). Wichtig ist daher zu schauen, welche Person in welchem Alter und mit welchen Verarbeitungs- und Handlungsmöglichkeiten ist betroffen (vgl. Hantke et al. 2023, S. 63f.).

Durch das Erleben eines potentiell traumatischen Ereignisses kann es zu einer akuten Belastungsreaktion (ICD-10) respektive einer Notfallreaktion (Hantke et al. 2023) kommen. Hierbei handelt es sich um automatisierte Notfallmechanismen, die bei Bedrohung oder akuter Gefahr aufgrund der alarmschlagenden Amygdala im Limbischen System vom Hirnstamm gesteuert werden. Der Körper wird auf Kampf oder Flucht eingestellt, die Verbindung zur Großhirnrinde wird unterbrochen und das bewusste Denken bleibt somit außen vor. Dies ermöglicht dem Körper in einer Notfallsituation schneller zu reagieren und mehr Energie zur Verfügung zu stellen. Kampf oder Flucht sind jedoch nicht immer möglich beziehungsweise erfolgreich. In diesem Fall wendet der Körper die letztmögliche Überlebensstrategie an. Da die Spannung weiter ansteigt, sucht der Körper einen Weg diese anderweitig zu reduzieren und trotzdem das Überleben zu sichern. Er schaltet um in die Immobilisierung des Körpers durch Variationen zwischen Einfrieren der Spannung (Freeze-Zustand) und Totstellreflex/Ohnmacht mit dem völligen Verlust der Körperspannung zur Folge. 

Zwar nimmt die Großhirnrinde in diesen Zuständen das Geschehen noch wahr, Gedanken, Gefühle und Körperempfindungen werden jedoch nicht bewusst verarbeitet und fühlen sich körperfremd an. Innerhalb der Psychotraumatologie wird dieser Vorgang als Dissoziation bezeichnet. In diesem Zustand wird die für Notfallreaktion mobilisierte Energie im Körper eingeschlossen und schafft so das Potential für posttraumatische Folgen (vgl. Hantke et al. 2023, S. 68ff.). 

Menschen reagieren sehr unterschiedlich auf potentiell traumatische Ereignisse. Ob das Erlebte im Nachhinein verarbeitet werden kann, hängt von vielen Faktoren (z.B. Alter, Gesundheitszustand und soziales Umfeld) ab. Einige Betroffene sind so resilient, dass sie keine relevanten posttraumatischen Folgen entwickeln. Die Diagnose „Posttraumatische Belastungsstörung“ wird gestellt, wenn nebst dem Erleben eines potentiell traumatischen Ereignisses auch Symptome des Wiedererlebens (Flashbacks), Albträume, Vermeidungsverhalten, ein allgemeiner emotionaler Taubheitszustand, negative Kognitionen und eine anhaltende Übererregung auftauchen. Diese Symptome müssen länger, als vier Wochen andauern und mit funktionalen Einschränkungen einhergehen (vgl. Hediger/Zink 2020, S. 16). 

Auch dissoziative Zustände können als Bewältigungsstrategie übernommen werden, um so physisch oder psychisch unaushaltbare Wahrnehmungen ausblenden zu können. In Phasen mit erhöhtem Stress oder in Situationen, die in irgendeiner Weise durch mitunter kleinste Reize - sogenannte Trigger wie Geräusche, Gerüche, der Anblick einer Person oder ein Gefühl - an das Trauma erinnern, kann es dazu kommen, dass der Organismus hochsensibel auf diese getriggerten Wahrnehmungen reagiert und augenblicklich das bewährte Notfallprogramm aktiviert und das, obwohl die Situation objektiv und von außen betrachtet vollkommen harmlos erscheint. Die Betroffenen sind weiterhin ohne eine Möglichkeit der Steuerung oder des Eingreifen-Könnens den Gefühlen von Handlungsunfähigkeit und Kontrollverlust ausgesetzt. Diese Gefühle spiegeln sich - mehr oder weniger deutlich sichtbar - unmittelbar im Verhalten und in der Kommunikation mit der Umgebung wider. Dadurch dass die Betroffenen in der Dissoziation nicht mehr mit allen Sinnen und mit vollem Bewusstsein da sind, geht der Kontakt zur Umwelt zumindest temporär verloren.

Ebenso kann es in Folge eines Traumas zu Anpassungs- oder affektiven Störungen kommen.